Verwaltungsratsmandat: «Entweder ganz dabei oder bleiben lassen» - womenbiz

Verwaltungsratsmandat: «Entweder ganz dabei oder bleiben lassen»

Veröffentlicht am 2. April 2024

Autorin: Amélie Lustenberger

Ins kalte Wasser springen und einfach einmal ausprobieren? Oder doch lieber gut vorbereitet und informiert? Wann ist es Zeit zu gehen? Und in welchen Situationen ist eine Intervention gefragt? – Einige Gedanken zur Verantwortung im Verwaltungsratsmandat.

Für frisch gewählte Verwaltungsrätinnen und -räte ist ein guter Einstieg in diese Tätigkeit oft eine Herausforderung. Silvan Felder, Geschäftsführender Inhaber der Verwaltungsrat Management AG und Keynote Speaker beim Rochester-Bern CAS Verwaltungsrat, gibt Tipps für einen erfolgreichen Einstieg und das Verhalten in heiklen Situationen. Seine Ausführungen zeigen, dass ein Verwaltungsratsmandat nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte.

Ab dem Tag der Wahl einsatzbereit

«Grundsätzlich sollte beim Einstieg in einen Verwaltungsrat eine unmittelbare Anschlussfähigkeit gegeben sein», sagt Felder. Die Vorstellung, dass die Person während der Verwaltungsratssitzungen in ihre Rolle hineinwächst und ausschliesslich daraus lernt, sei falsch. Schliesslich sei die Person wegen einer bestimmten Kompetenz gewählt worden, auf die das Gremium nicht verzichten könne. Damit dies gelingt, ist eine Vorbereitung auf zwei Ebenen notwendig.

Die erste Ebene besteht darin, dass sich die Person bereits vor Amtsantritt über das Unternehmen informiert und Unterlagen einfordert, falls diese noch nicht vorliegen. «Wie läuft das Geschäft? Welche Strategie verfolgt das Unternehmen? Wie sehen die Finanzen aus? Wo liegen die grössten Risiken? Diese und weitere Fragen sollten beim Onboarding geklärt werden», so Felder. Gerade bei Familienunternehmen sei es zudem zwingend notwendig, die Menschen hinter dem Unternehmen kennenzulernen.

Neben dem Wissen über das Unternehmen, ist ein zweites wichtiges Element, sich gut über die Verwaltungsratstätigkeit zu informieren. Wie funktioniert ein Verwaltungsrat? Was ist seine Rolle? Was sind die unentziehbaren und unübertragbaren Verantwortungen? Ebenso auch die Frage, wo die Funktion des Verwaltungsrats beginnt und jene der Geschäftsleitung endet, sei wichtig – vorteilhafterweise mittels eines Organisationsreglements – zu klären. Um diesbezüglich gut vorbereitet zu sein, helfen Weiterbildungen, wie der CAS Verwaltungsrat von Rochester-Bern oder die Kompaktseminare der Verwaltungsrat Management AG.

Wer gut vorbereitet zur ersten Sitzung kommt, ist sofort einsatzbereit und das ist auch notwendig, denn «ab dem Moment der Wahl sind Sie in der Verantwortung und tragen die Solidarhaftung», so Felder. Er empfiehlt, sich so schnell wie möglich einzubringen und viele Informationen einzuholen: «Stellen Sie viele Fragen, auch wenn diese vermeintlich banal klingen. Manchmal führt dies dazu, dass das Gremium Dinge hinterfragt, die es vorher für selbstverständlich gehalten hat», fügt er hinzu.

Trendthemen: Digitale Transformation, Nachhaltigkeit und Co.

Sie sind derzeit in aller Munde. Doch was bedeutet dies für den Verwaltungsrat? «Sie müssen nicht jedem Trend hinterherjagen», so Felder. Selbstverständlich ist es aber unerlässlich, dass aktuelle und zukünftige Themen im Gremium diskutiert werden. Sie sind oft zukunftsweisend und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Der Verwaltungsrat muss sich mit den grossen Themen der Zeit auseinandersetzen und sich fragen: Welchen Einfluss haben sie auf das Unternehmen? Gibt es uns in zehn Jahren noch, wenn wir so weitermachen? Ein wissentlicher Entscheid, ein Thema nicht weiterzuverfolgen ist definitiv besser als unwissentlich wichtige Punkte ausser Acht zu lassen.

«Zudem gilt es, die Themen nicht isoliert zu betrachten, sondern ganzheitlich im Rahmen der strategischen Zukunftsausrichtung», so Felder. Es brauche nicht für jedes einzelne Thema einen Spezialisten oder eine Spezialistin im Verwaltungsrat. Wichtiger sei, dass das Unternehmen im operativen Geschäft die «richtigen» Personen in der «richtigen» Funktion weiss, die eine Affinität und passende Fähigkeiten in diesen Themen aufweisen und bei erkanntem Bedarf für die Umsetzung sorgen.

Von Krisen und roten Linien

Wer ein Verwaltungsratsmandat annimmt, muss damit rechnen, dass nicht immer «Friede, Freude, Eierkuchen» herrscht, sondern manchmal auch hart durchgegriffen und interveniert werden muss. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Vertrauen in den CEO des Unternehmens erschüttert ist. Felder empfiehlt in dieser Situation ein Vieraugengespräch zwischen dem/der Verwaltungsratspräsident/-in und dem CEO. «Entweder kommt der CEO dadurch wieder auf den richtigen Weg oder, wenn der Vertrauensverlust zu gross ist, muss eine neue Person eingesetzt werden», so Felder.

Es gibt keine klaren Richtlinien, wann die rote Linie überschritten ist und die Geschäftsleitung gehen muss. «Es liegt in der Natur der Rolle des für die betreffend Periode verantwortlichen CEO, dass die Unternehmensergebnisse etwas beschönigt dargestellt werden könnten. Hier ist es Aufgabe des Verwaltungsrates, ihn durch gezielte Fragen herauszufordern und durch einen guten Dialog die Situation richtig einzuschätzen», sagt Felder. Relativ klar ist die Lage hingegen, wenn Zahlen und Sachverhalte eindeutig falsch dargestellt werden und es keinen Interpretationsspielraum mehr gibt oder natürlich auch, wenn nicht mehr gesetzeskonform gehandelt wird. Dann muss der Verwaltungsrat sofort intervenieren und Sanktionen ergreifen.

Vorsicht ist auch geboten, wenn es einem Unternehmen nicht gut geht. «Der Verwaltungsrat wird nicht für das Scheitern einer Strategie bestraft, sondern für ein nachweislich fehlendes oder fehlerhaftes Strategiecontrolling, welches rechtzeitig den falschen Weg hätte erkennen lassen», sagt Felder. Das neue Aktienrecht, das 2023 in Kraft getreten ist, stellt zudem die Liquidität der Gesellschaft in den Mittelpunkt. Der Verwaltungsrat ist dabei in der Pflicht, die kurzfristig verfügbaren Mittel laufend zu überwachen. Besteht die begründete Besorgnis einer drohenden Zahlungsunfähigkeit, ist der Verwaltungsrat angehalten, geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Liquidität zu treffen und allenfalls zusätzliche Sanierungsmassnahmen einzuleiten.

Der etwas andere Enkeltrick

«Ein Verwaltungsratsmandat geht ab dem ersten Tag mit grosser Verantwortung einher. Entweder sind Sie ganz dabei oder Sie lassen es bleiben», sagt Felder. Mandatsträger/-innen sollten immer hinter dem Unternehmen stehen können, nicht zuletzt auch aus Gründen eines Reputationsrisikos. Dies gilt auch, wenn Entscheidungen getroffen werden, gegen die man sich ausgesprochen hat. Ist der Entscheid so schwerwiegend und richtungsweisend, dass man ihn nicht mittragen kann, hilft nur der Rücktritt aus dem VR-Gremium. Denn an dem Grundsatz «wer im Verwaltungsrat sitzt, trägt die wichtigen Entscheidungen des Unternehmens mit», rüttelt auch eine Gegenstimme nicht. Felders Tipp: «Fragen Sie sich jeweils: Könnte ich meinen (künftigen) Enkelkindern erklären, weshalb ich so gehandelt habe? Falls nicht, lassen Sie es bleiben».

Silvan Felder ist seit 2001 Gründer, Inhaber und Geschäftsführer der Verwaltungsrat Management AG in Luzern (vrmanagement.ch). Die Unternehmung fokussiert ihre Tätigkeit vollumfänglich auf die Suche und Vermittlung und die Weiterbildung von Verwaltungsräten sowie die Beratung von VR-Gremien in allen Fragen betreffend eine Good Governance.


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Amélie Lustenberger

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