Hilfe, ich bin eine Hochstaplerin - womenbiz

Hilfe, ich bin eine Hochstaplerin

Veröffentlicht am 18. März 2024

Autorin: Jeanne Jirges

Hast du auch manchmal Angst davor «entlarvt» zu werden? Als die, die eigentlich nichts weiss. Oder als die, die bei ihren bisherigen Erfolgen mehr Glück als Verstand hatte? «Was, wenn alle merken, dass ich gar nicht so viel kann, wie sie glauben?»

Besonders Frauen sind oft von solchen Gedanken geplagt. Die betroffenen – meist leistungsstarke – Personen, sind stets vom Gefühl begleitet, nicht gut genug zu sein. Manche haben sogar das Gefühl, ihren Erfolg nicht verdient bzw. ihn sich nicht erarbeitet zu haben. Andere verstehen erst gar nicht, wie sie überhaupt so weit kommen konnten und fürchten, einer kompetenteren Person den Platz weggenommen zu haben.

Bei diesen Gedanken handelt es sich um das sogenannte Hochstapler-Syndrom (eng. imposter syndrome). Bei diesem Syndrom haben die Betroffenen, wie oben beschrieben, das Gefühl, ihre Erfolge nicht verdient zu haben. Komplimente werden als Nettigkeiten abgetan, da diese für sie nicht nachvollziehbar sind. «Ach, so toll war das jetzt auch nicht.» Oder «Ja, aber xy hätte es besser gemacht.», sind oft Antworten, die Betroffene geben.

Sich Gedanken über die eigenen Fähigkeiten zu machen, ist prinzipiell nichts Schlechtes und notwendig, für persönliches und professionelles Wachstum. Fällt es aber schwer Erfolge zu erkennen und diese auch als solche anzunehmen, dann kommen wir dem Hochstapler-Syndrom unangenehm nahe.

Die Maske der Konformität

Oft wird dieses Verhalten, fälschlicherweise, mit Bescheidenheit verwechselt und wirkt auf viele Menschen obendrein auch noch sympathisch. Im Grunde wird also das Hochstapler-Syndrom mit positiver Rückmeldung zwangsbehaftet. Würde die betroffene Person nun sagen, wie sie wirklich fühlt, würde das nicht nur die Gesprächsdynamik unangenehm beeinflussen, sondern auch die Authentizität – nach der die Betroffenen so sehr streben – in Frage stellen.

Das Bedürfnis dazuzugehören, ist auch hier sehr präsent, weswegen Personen mit diesem Syndrom unglaublich gut darin sind, die Rolle zu spielen, die von ihnen erwartet wird. Sie setzen eine «Maske» auf und portraitieren die authentische und kompetente Person, die alle sehen und schätzen. Innerlich fühlen sie sich jedoch inkompetent und unsicher. Um dies jedoch nicht zu zeigen, verhalten sie sich, als fühlten sie sich kompetent und authentisch. Sie verkörpern die Person, die sie gerne wären, ohne zu merken, dass sie diese bereits sind. Dabei fühlen sie sich allerdings noch inkompetenter und müssen nun dieses Gefühl überkompensieren. Erkennst du den Teufelskreis, der sich hier bildet?

Ich möchte dir im Folgenden eine Checkliste ans Herz legen, bei der du das Hochstapler-Syndrom auf frischer Tat ertappen kannst. Schaue für dich, wie oft du dich in diesen Aussagen erkennst und überlege, wie sehr sie dich in deinem Tun beeinflussen.

Imposter-Syndrom Check Liste

  • Du zweifelst permanent an deinen eigenen Fähigkeiten und Leistungen, egal, was die Resultate sagen.
  • Du bewertest Fehler und Misserfolge strenger und gibst diesen mehr Gewicht als deinen Erfolgen.
  • Du lebst in ständiger Angst, dass andere erkennen könnten, dass du eigentlich nicht so kompetent bist, wie sie denken.
  • Du hast das Gefühl, dass deine bisherigen Erfolge Glück oder Zufall waren.
  • Du empfindest ein ständiges Streben nach Perfektion. Perfekt ist gerade so gut genug.
  • Stolpersteine auf dem Weg sind (für dich) ein Zeichen deiner mangelnden Expertise.
  • Du vergleichst dich regelmässig mit anderen.
  • Du hast Angst, aus deinen sozialen Kreisen ausgeschlossen zu werden, sollten andere von deiner Inkompetenz erfahren.
  • Du hast das Gefühl, nicht mit anderen mithalten zu können, wenn es um Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten geht.
  • Erfolge werden externen Faktoren zugeschrieben (Glück, Zufall, Hilfe von anderen), während Misserfolge internen Faktoren (persönliche Unzulänglichkeiten) zugeschrieben werden.
  • Du erwartest abgelehnt oder jederzeit kritisiert zu werden.
  • Du vermeidest neue Herausforderungen aus Angst vor Versagen oder nimmst dich dieser Herausforderungen nicht alleine an, da du das Gefühl hast, eine kompetente Person an deiner Seite zu benötigen.
  • Du hast Schwierigkeiten, Lob oder Anerkennung anzunehmen, da du glaubst, sie nicht verdient zu haben.
  • Du hast das Gefühl, dass Lob nicht aufrichtig ist oder dass andere deine Leistungen überbewerten.
  • Du hältst übermässiger Arbeitsbelastung stand, um zu beweisen, dass du kompetent bist.
  • Deine Selbstachtung sinkt, da du dich permanent als Betrügerin oder Hochstaplerin empfindest.
  • Emotionaler Stress, Angst und Überforderung sind dir nicht fremd.
  • Du passt dich an Umstände an, um allen Erwartungen gerecht zu werden.
  • Du hast Angst davor, um Hilfe zu bitten.

Die Anerkennung des Imposter-Syndroms ist der erste Schritt zur Anerkennung deiner persönlichen Fähigkeiten. Dieses Syndrom ist nicht permanent und kann mit unterschiedlichen Methoden bearbeitet werden. Doch wo kommt es eigentlich her?

Beschreiben, statt bewerten

Die Angst, nicht gut genug zu sein oder nicht dazu zu gehören, hat oft ihren Ursprung in der Kindheit. Im Kindesalter kommen wir zum ersten Mal mit Wertung in Berührung. Obwohl sich das abstrakte Denkverhalten erst im Volksschulalter entwickelt, nehmen Kleinkinder sehr schnell ihre Fähigkeiten wahr – oder eben auch ihre Misserfolge. Für Kinder ist dies jedoch weder gut noch schlecht. Es ist eine Beschreibung von Handlungen und Tatsachen: Das hat funktioniert. Das nicht.

Erwachsene hingegen, geben dieser neutralen Kindesbeschreibung eine Wertung: «Das hat funktioniert – das war gut. Aber das hat nicht funktioniert – das war schlecht.» Je nach Umgang mit diesen Bewertungen, bildet sich dann beim Kind ein positives oder negatives Selbstvertrauen. «Das kann ich. Dafür bekomme ich Lob und Anerkennung – das mache ich öfter und ich mache es gern.» Oder «Das kann ich nicht. Wenn ich es falsch mache, ist Mama/Papa böse auf mich – ich traue mich nicht, es noch einmal zu probieren, weil ich die negative Reaktion vermeiden möchte.» Und so entsteht die Einstellung «Was ich nicht probiere, kann ich nicht falsch machen».

Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wird geschwächt und der Wille zum Probieren sinkt. (Natürlich geht dies in beide Richtungen, wir konzentrieren uns aber auf die – für uns – relevante Richtung.) Und dieses Verhalten wird zu einem Glaubenssatz: «Ich kann xy nicht.» Ob dies nun nach zehn Jahren noch immer stimmt, oder nicht, ist hierbei irrelevant.

Nun stelle dir vor, besagtes Kind – nehmen wir ein Mädchen – ist erwachsen geworden. Jetzt passiert etwas Spannendes: Unsere erwachsene Frau kann sich nicht mehr explizit an diese eine Sache erinnern, die sie als Kind nicht konnte. Aber der Glaubenssatz, der daraus entstanden ist, ist noch immer da. Und wie das Kind zur Frau herangewachsen ist, ist der Glaubenssatz zu einer Einstellung herangewachsen. «Ich kann das nicht» wurde zu «Ich bin nicht gut genug.» – kommt dir das bekannt vor?

Diese Einstellung hat mit dem eigentlichen Thema aus der Kindheit meist gar nichts mehr zu tun. Aber sie hat sich festgebissen, wie eine Zecke. Es ist hierbei egal von welcher Wiese du diese Zecke mitgebracht hast – es ändert nichts an der Tatsache, dass sie da ist. Worauf du dich nun konzentrieren darfst, ist es, diese Zecke zu entfernen. Und das folgende Modell zeigt dir wie:

Das 3-Säulen-Modell des gesunden Selbstbildes

Wenn wir davon sprechen «selbstbewusst» durchs Leben zu gehen, meinen wir zu 90% etwas anderes damit, als du bisher wahrscheinlich geglaubt hast. Denn obwohl Selbstbewusstsein wichtig ist, ist es nur ein Teil von deinem Auftreten und der Art, wie du mit dir, mit anderen und auch mit deinen Fehlern und Schwächen umgehst.

Worauf du dich ab heute konzentrieren darfst ist dein gesundes Selbstbild!

Doch wie entsteht ein gesundes Selbstbild? Ich sage bewusst nicht «positives» Selbstbild, da ein rein positives Selbstbild eine verzerrte Wahrnehmung fördert – und genau das wollen wir vermeiden. Bei einem gesunden Selbstbild bist du dir deiner Stärken, aber auch deiner Schwächen (realistisch) bewusst. Du lässt dich jedoch nicht von deinen Schwächen dominieren und kannst deine Stärken feiern und akzeptieren.

Stelle dir dein Selbstbild (und dich) wie einen Tempel vor. Das gesunde Selbstbild ist das Dach von diesem Tempel, welcher von drei Säulen getragen wird:

1. Säule – Selbstbewusstsein: Das Bewusstsein über dich selbst und deine Werte. Was ist dir wichtig an dir und an anderen? Wie möchtest du wahrgenommen werden und wie bewusst bist du dir darüber, wer du bist?

Wer bist du, wenn du heute deinen Jobtitel verlierst? Was bleibt übrig? Was definiert dich?

Übung: Schreibe deine fünf wichtigsten Werte auf und beobachte dich und dein Umfeld. Wie verkörperst du diese Werte? Wie zeigen sich deine Wertvorstellungen im Alltag? Gibt es Personen, die komplett mit oder gegen deine Werte agieren?

2. Säule – Selbstvertrauen: Das Vertrauen in deine Fähigkeiten und Entscheidungen. Wie sehr vertraust du deinen persönlichen Fähigkeiten? Hast du das Gefühl, du bist kompetent in dem, was du tust? Woran erkennst du Kompetenz an dir und anderen?

Was brauchst du, um dich kompetent zu fühlen? Triffst du eigenständig Entscheidungen oder besprichst du diese immer tausend Mal mit anderen, bis du dich festlegst? Nicht jede(r) wird mit deinen Entscheidungen einverstanden sein – und das ist okay! Wie geht es dir damit?

Übung: Erinnere dich an «beschreiben statt bewerten». Beschreibe sachlich deine bisherigen Erfolge. Hast du einen Abschluss? Hat ein Projekt gut funktioniert? Schreibe nicht auf, warum, sondern sammle messbare Tatsachen. Nun bitte deine Freunde und KollegInnen, ebenso eine Liste für dich anzufertigen.
Es sind Fakten, Baby – und diese lügen nicht!

3. Säule – Selbstrespekt: Besonders in den letzten Jahren ist der Irrglaube entstanden, dass Selbstrespekt etwas mit Duftkerzen und Schaumbädern zu tun hat. Dass man jeden Millimeter an seinem Körper lieben MUSS, sonst hat man Selbstliebe nicht verstanden.

Versteh mich bitte nicht falsch, das ist natürlich sehr wichtig. Jedoch gehört zum persönlichen Selbstrespekt auch das Setzen von Grenzen und das Nein-Sagen dazu. Durch ein Schaumbad wirst du dir keinen Respekt aneignen, durch klare Kommunikation deiner Prinzipien und Grenzen jedoch schon. Und du darfst auch Dinge an dir und deinem Körper nicht so toll finden – das bedeutet nicht gleich, dass du dich selbst hasst.

Übung: The Jar of Achievements – Nimm dir ein Glas und gestalte es so, dass es für dich wichtig und wertvoll ist. Jedes Mal, wenn du stolz auf dich bist, schreibst du nun die Situation auf ein Stück Papier. Schreibe das Datum dazu und gib das Stück Papier ins Glas. Sammle alle Momente – egal wie gross oder klein – und fülle damit The Jar of Achievements. Am Ende des Monats leerst du dieses Glas und wirfst einen Blick auf all die Momente, in denen du stolz auf dich warst. Du kannst diese Momente auch gerne länger sammeln und erst am Ende des Jahres das Glas leeren. Ziel der Übung ist es, Regelmässigkeit in dein Gefühl für Erfolg zu bringen.

Adaption: Nimm dir deine(n) PartnerIn oder Freunde/Familie und macht diese Übung gemeinsam. Macht sogar eine Neujahrstradition daraus. Schreibt gegenseitig auf, wann ihr stolz auf die jeweils andere Person seid und lest euch diese Momente zu besonderen Anlässen (Geburtstage, Neujahr etc.) vor. Oder holt diese Momente dazu, wenn die Unsicherheit mal wieder zugeschlagen hat. Du wirst staunen, was andere in dir sehen! (Nimm es an!)

Diese drei Säulen bilden das Fundament deines Selbstbildes und bestimmen die Stärke deiner Selbstsicherheit. Je brüchiger die Säulen, je unsicherer das Dach. Überlege dir gerne, wie stabil du die unterschiedlichen Säulen wahrnimmst und was du brauchst, um etwaige Restaurierungsarbeiten vornehmen zu können.

Fakt ist, wir alle haben Stärken und Schwächen. Es gibt einen Grund, warum du da bist, wo du bist. Und das hat nichts mit Zufällen zu tun – ausserdem glaube ich prinzipiell nicht an Zufälle.

Trau dich, die Maske der Hochstaplerin abzulegen und der Welt zu zeigen, wer wirklich dahintersteckt:

  • Eine ambitionierte, talentierte, hart arbeitende und fokussierte Frau, die zu ihren Talenten, Fähigkeiten und Errungenschaften steht.
  • Eine Frau, die sich nicht von ihren Schwächen zurückhalten lässt.
  • Eine Frau, die erhobenen Hauptes ihre Erfolge feiert.
  • Eine Frau, die es verdient hat, erfolgreich zu sein.
  • Ein Vorbild – du!

Alles Liebe
Jeanne


Über die Autorin

Jeanne Jirges lebt in Wien und ist dipl. Pädagogin, staatlich geprüfte Schauspielerin, dipl. Mental Coach, Amazon Bestseller Autorin, International Speaker und Lebens- und Sozialberaterin in Ausbildung unter Supervision.

In ihrer Arbeit verknüpft sie ihr umfangreiches Wissen der unterschiedlichen Bereiche und schafft eine neuartige Methode zur Selbstfindung. Mit einer Kombination aus Schauspiel, Mentaltechniken und persönlich entwickelten Methoden, legt sie den Fokus auf das gesunde Selbstbild und unterstützt Menschen dabei, den Mut aufzubringen, ihre Lebensträume umzusetzen.

Humor, Motivation und Inspiration sind Grundsteine ihrer Arbeit, welche sie, mit Herz, an alle TeilnehmerInnen sowie in ihren Deeptalk Cafés weitergibt.

Deeptalk Café I Jeanne Jirges Identity Mentoring
Jeanne Jirges

Webseiten: werde-selbstbewusst.at, deeptalkcafe-mentoringprogramm.com
Email: jeannejirges@gmail.com
Telefon: +43 69 911 339 473

Instagram
Facebook
LinkedIn

Weitere Blogs