Familie und Beruf: Ein Rückblick und ein Lottosechser
Autorin: Dina Mazzotti
Als ich vor 35 Jahren in den Lehrerberuf einstieg, hatte ich, blauäugig wie ich damals war, keine genaue Vorstellung davon, wie meine berufliche Zukunft aussehen würde. Ich hatte zwar einen Partner und konnte mir auch vorstellen, eine Familie zu gründen. Aber ein brennender Wunsch war es nicht. Zumal ich als Lehrerin den ganzen Tag mit Kindern zu tun hatte und mir das eigentlich auch gereicht hätte.
Nun ja, wie heisst es so schön? Der Mensch plant und Gott lacht.
1996 und 1999 erblickten unsere Söhne das Licht der Welt und mein Alltag wurde ganz schön auf den Kopf gestellt. Mein (unterdessen verstorbener) Mann und ich hatten uns vorgestellt, dass er sein Pensum auf einer Grossbank um 10 % herunterschrauben würde, damit ich so bald wie möglich wieder ins Berufsleben einsteigen konnte. Hier lachte Gott wohl zum ersten Mal: Als Kadermitglied war damals eine Reduktion für meinen Mann unmöglich. Und trotzdem – das Leben mit unserem Erstgeborenen war für mich so herausfordernd und trotzdem zu wenig kognitive Herausforderung, dass mein Mann eines Abends beim Essen bemerkte: «Melde dich wenigstens für irgendeinen Kurs an, du drehst hier noch durch.» Das hatte er allerdings richtig erkannt!
Selbstfürsorge
So war es auch kein Wunder, dass ich, als ein paar Tage später mein Schulleiter verzweifelt anrief, er brauche dringendst eine Fachlehrperson für einen halben Tag pro Woche, sofort zusagte. Ohne eine Ahnung zu haben, was denn in der Zeit mit dem voll gestillten Säugling passieren sollte nota bene. Heute würde man dies lobend als Selbstfürsorge deklarieren. Damals wurde ich als Rabenmutter beschimpft. Aber ich wusste, dass dies meine Rettung war. Denn die Decke hing schon bedrohlich weit unten.
Es war der Anfang einer langen, nur kurz unterbrochenen Phase, in denen meine Eltern bei uns daheim zu den Kindern schauten – obwohl meine Mutter immer verkündet hatte, sie würde dies niemals tun.
Grosseltern als Betreuungspersonen
Gemäss dem Generationenbericht Schweiz des Bundesamts für Statistik greifen mehr als die Hälfte der Eltern, die ihre Sprösslinge regelmässig fremd betreuen lassen, auf Grossmütter zurück. Konkret heisst das, dass Grosseltern meist gratis und total während 100 Millionen Stunden pro Jahr Betreuungsarbeit leisten. Das entspricht ungefähr einer Arbeitsleistung von 2 Milliarden Franken (bfs, 2008). Auch wenn die Zahlen schon älter sind, dürften sie sich in diesem Bereich bewegen, da parallel zur steigenden Anzahl Krippenplätze auch der Anteil berufstätiger Mütter gestiegen ist.
Da war ich also einer dieser Frauen, die dank der Mithilfe ihrer Eltern extern arbeiten konnte. Nicht immer lief dies reibungslos. Aber meine Jungs liebten Grosi und Nonno heiss und innig, so dass ich oft auf Durchzug schaltete, wenn sich meine Mutter bei meiner Rückkehr über die aus ihrer Sicht chaotische Haushaltsführung ausliess. Die gemeinsame Zeit von Grosseltern und Enkel bildete eine solide Basis, die bis heute anhält. Während ich aktuell hier in Schweden diesen Artikel schreibe, haben meine mittlerweile erwachsenen Jungs ihre Grossmutter zum Geburtstagsessen ins Restaurant eingeladen. Und während der sechs Jahre, die mein Vater bis zu seinem Tod im Dezember 2021 im Pflegeheim verbrachte, waren auch sie häufig dort. Von Einkaufsfahrten, Erklärungen zu Smartphone und Laptop ganz zu schweigen. Natürlich sollten innerfamiliäre Betreuungsübernahme nicht aus Berechnung übernommen werden. Aber wenn man Glück hat, gleicht sich das investierte Engagement irgendeinmal aus.
Grenzen ziehen
Grosseltern sind keine Professionals und von dem her sind gute Absprachen und ein Austausch wichtig. Leider hat das bei uns nicht immer optimal funktioniert. Irgendeinmal lief das Fass über und als meine Mutter eine bestimmte Zimmereinteilung als unabdingbar für ihr weiteres Kommen forderte, löste ich unser Betreuungs-Arrangement auf. Spätestens hier hat Gott wieder gelacht. Klar, ich war in einer privilegierten Situation: Ich hatte eine Freundin, die einspringen konnte und ich wusste, dass uns quasi per sofort ein Krippenplatz der Firma, in der mein Mann arbeitete, zur Verfügung stehen würde. Aber auch das ist wichtig – sich spüren und wahrnehmen, handeln. Auch wenn die Kinder traurig waren, die Grosseltern nicht mehr regelmässig zu sehen. Als der Ältere dann in den Kindergarten kam, hatte sich das Süppchen abgekühlt und meine Eltern hüteten wieder regelmässig.
Der Weg zum Lottosechser
Ich habe versucht, dir ein Listicle mit jenen Dingen zusammenzustellen, die für mich für das Gelingen des Balanceaktes Familie-Beruf wichtig sind.
1. Selbstfürsorge
Eine gelungene Work-Life-Balance basiert nicht primär auf ausgeklügelter Organisation, sondern auf einem guten Gefühl. Wenn sich alle Involvierten wohl fühlen, überträgt sich diese Stimmung auch auf Familie und Beruf. Wesentlicher als Perfektion und Pünktlichkeit ist es darum, sich selbst wichtig zu nehmen. In der Konsequenz heisst das, auch mal Nein zu sagen und sich Zeit für eigene Bedürfnisse zu nehmen. So paradox es vielleicht klingen mag: Das hat nichts mit Egoismus zu tun, sondern damit, dass dein Ausfall niemandem dient. Deshalb solltest DU an erster Stelle stehen, damit du in Harmonie mit dir selbst bist.
2. Prioritäten setzen
Der Familienalltag zwischen Kind und Karriere lässt kaum Kapazität für Unnötiges. Worauf legt ihr als Familie wirklich Wert? Lasst euch nicht dazu überreden, Dinge zu tun, auf die ihr keine Lust habt.
3. Delegieren
Es deutet weder auf Unfähigkeit noch auf ein Leben im absoluten Überfluss hin, sich eine Putzfrau zu leisten. Es zeugt von einem Schritt in die Richtung einer gesunden Work-Life-Balance. Dies gilt natürlich auch für jegliche anderen Tätigkeiten, die guten Gewissens delegiert werden können.
4. Vorbereiten
Meal-Prep ist in aller Munde, jedenfalls bei Generation Y. Bei uns hiess dies damals noch Vorkochen. Denn Einkaufen und Kochen können ganz schön viel Zeit in Anspruch nehmen. Ein überlegter wöchentlicher Grosseinkauf und kluge Vorkoch-Strategien können dies deutlich entschärfen. Und heute wird frau auch nicht mehr schräg angeschaut, wenn sie das Einkaufen online erledigt. Fürs Kochen gilt: Wer sich eine fixe Zeit zum Kochen, Portionieren und Einfrieren freihält, hat unter der Woche deutlich weniger Aufwand.
5. Teamwork
Es kann das Leben ungemein erleichtern, wenn mehrere berufstätige Eltern am gleichen Strick ziehen. So lassen sich Pedibusse (die Kinder laufen zu Fuss mit einer erwachsenen Person in den Kindergarten oder die Schule) oder Fahrgemeinschaften fürs weiter entfernte Training im Turnus organisieren. Nachbarschaftsunterstützung kann sich selbstverständlich auf ganze Nachmittage, Mittagessen kochen oder Hausaufgabenbetreuung ausweiten. Nebst einer klaren Kommunikation kann es hilfreich sein, dass ihr gewisse Verbindlichkeiten schriftlich festhaltet.
6. Mach dein Ding!
Egal wie frau es macht, sie macht es falsch. Wer daheim bleibt, gilt entweder als altmodisch, als Helikopter-Mamma oder gleich als beides. Gibst du dein Kind in die Kita, hast du den Rabenmutter-Stempel. Diese Klischees sind so was von lächerlich, dass ich sie nicht ernst nehmen kann. Und du hoffentlich auch nicht.
Wie weit bist du vom Lotto-Sechser entfernt? Als meine Kinder noch klein waren, bewegte ich mich so zwischen 4 und 5 Treffern herum. Und ich muss sagen, das war für mich schon sehr nahe am Hauptgewinn.
Über die Autorin:
Dina Mazzotti ist Begabungsexpertin, Lehrerin, Dozentin, Autorin, Bloggerin und Mutter mit Lebensmittelpunkt in Rothenburg und Luzern. Sie berät Familien und Schulen rund ums Thema Hochbegabung und liebt es, Kinder und ihre Schulen zu begleiten und vor Ort unkonventionelle Lösungen zu finden. Ihre Schwerpunkte liegen bei der Identifizierung und Förderung hochbegabter Mädchen als Powerfrauen von morgen (selbstverständlich sind auch Jungs herzlich willkommen!).
begabt & glücklich
Dina Mazzotti
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