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Die Frage nach dem wertvoll sein – Teil 1

Veröffentlicht am 4. Juli 2023

Autorin: Barbara Liechti

Das Leben nimmt manchmal unvorhersehbare Wendungen und stellt uns vor Herausforderungen, mit denen wir nicht gerechnet haben. Diesen Herausforderungen und deren Lösungsansätzen widme ich diese dreiteilige Blog-Serie.

Im ersten Teil der Serie widmen wir uns dem Thema wertvoll sein und wie eine große Herausforderung unser Werteempfinden ins Wanken bringen kann.

„Alles, was wir an einem Menschen
beobachten sind Beziehungen.
Es sind Haltungen oder noch besser Bewegungen
auf etwas zu oder von etwas weg“

– Alfred Adler (1870 – 1937) Buch Menschenkenntnis –

Bist du es dir Wert?

Woran wird dein Wert gemessen? An Taten? An einer Masseinheit oder Tabelle? Wer hat das Recht anderen einen Wert zuzuteilen? Welches Level an Wert hast du zu erreichen, um dazugehören zu können?
Wie musst du denn sein, um wertvoll zu sein? Welche Werte machst du aus? 

Die Frage, wer das Recht hat, anderen einen Wert zuzuweisen ist komplex. In einer Gesellschaft werden Werte oft von den gemeinsamen Überzeugungen und kulturellen Normen bestimmt.

Um «wertvoll» zu sein, gibt es keine eindeutige Antwort, da dies von den individuellen Vorstellungen und Werten abhängt. Jede und jeder hat aus ihrer bzw. seiner Sicht recht und sieht beziehungsweise erlebt sich und die Welt aus eigenen Überzeugungen und Vorstellungen heraus.

Um deinen eigenen Wert zu erkennen ist es nicht erforderlich, dass du dich von anderen bewerten lässt. Du selbst bestimmst deinen Wert. Selbstreflexion, das Streben nach persönlichem Wachstum und die Entwicklung eines gesunden Selbst können dazu beitragen, ein Gefühl von Selbstwert zu entwickeln.

Jeder Mensch hat seine ganz persönlichen Ambitionen, (s)einen Platz in der Gesellschaft zu finden und dazugehören zu können. So liegt der Wert eines Menschen vielmehr in seiner Einzigartigkeit, seinen individuellen Fähigkeiten, seinen Beziehungen zu anderen Menschen und seiner Fähigkeit, positiven Einfluss auf die Welt zu nehmen.

Die Vorstellung, dass je erfolgreicher oder je angepasster man ist, desto wertvoller man als Mensch ist, kann zu einem ungesunden Streben nach äusserem Erfolg und Anerkennung führen.

Vom Chaos zur Neuorientierung

Auf einen Schlag ist alles anders

Die Ehe von Frau B. verlief wie am Schnürchen. Alle sagten, dass sie das Traumpaar schlichtweg seien. Harmonisch, beide füreinander da und doch schien es, als würden beide in gewisser Weise auch ihren Weg gehen können. Es lief alles Hand-in-Hand. Die Kinder – beides Wunschkinder – entwickelten sich prächtig und bereiteten viel Freude und Stolz. Bei der Arbeit des Mannes lief ebenfalls alles rund; er machte Karriere und Frau B. hielt ihm den Rücken frei. Eine Bilderbuchfamilie.

Doch dann kam Tag X. Durch Zufall erfährt Frau B., dass ihr Mann seit 1 ½ Jahren eine Affäre pflegt. Ihr wird schwindelig, leicht übel und sie droht das Gleichgewicht zu verlieren. Es ist eingetreten, was Frau B. nie für möglich gehalten hat. Sowas «geschieht» doch nur anderen. Bisher war doch alles in Ordnung!

Die Gleichwertigkeit zwischen ihr und ihrem Mann ist auf einen Schlag zerstört. In seiner Not verspricht er ihr das Blaue vom Himmel, dass er sich von der anderen Frau trennen würde. Doch ganz tief in ihr drin versteht Frau B., dass sich ab jetzt alles ändern wird.

All ihre Werte über Beziehung, Vertrauen, Partnerschaft, Familie, das Wir, sowie auch ihren eigenen Wert als Frau, Ehefrau, Mutter, Berufsfrau stellt Frau B. in Frage. Sie fragt sich, wie es kommen konnte, dass sie all die Zeit absolut nichts bemerkt hat.

Wenn die Routine zur Routine wird

Er ging seinen alltäglichen Weg und Frau B. ihren. Routine, eingespielte Abläufe, klare Rollenverteilung. Keine Zeit für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse. Keine Zeit für das Paar. Aufgeopfert und nun soll’s das gewesen sein?!

Frau B. beschönigt zum Selbstschutz die Situation und denkt sich, dass sie zu zweit die Beziehung wieder auf Spur bringen können. Doch mehr und mehr realisiert sie, dass die Kommunikation seit Jahren eingeschlafen ist. Beide funktionierten nur noch und sie als Paar gab es nicht mehr. Durch die Alltagsroutine ist die Beziehung ebenfalls zur Routine verkommen. All die anfänglichen Themen die sie als Paar erlebten, waren wie weggeblasen. Frau B. realisiert, dass sie beide die Beziehung seit Jahren nicht mehr aktiv lebendig gehalten haben.

Betrogen und Verlassen

Die plötzliche Veränderung und der Vertrauensbruch haben Frau B. völlig aus der Bahn geworfen. Sie fühlt sich von einer Lawine von Emotionen überwältigt und weiss nicht, wie sie damit umgehen soll. Die Wut, Trauer, das Gefühl des Verrats und die Verletzung sind überwältigend. Es scheint, als hätte sie den Boden unter den Füssen verloren oder als wäre sie in einem Sturm auf hoher See gefangen, ohne Sicht auf Land.

Gerade jetzt wäre es wichtig gewesen, hätte Frau B. Kenntnis über ihre Bedürfnisse und Gefühle gehabt, um diese einordnen und sich gegenüber wichtigmachen zu können.

  • Es ist wichtig, die Welle der Emotionen zuzulassen und sich ihnen nicht zu verschliessen. Indem Frau B. ihre Gefühle durchlebt und in der Folge akzeptiert, kann der Prozess der Heilung beginnen.
  • In der Beratung sprechen wir viel darüber, was Frau B. gut tut, was ihr Kraft gibt, wo sie sich wohl fühlt. Es geht darum, aktiv in die Selbstfürsorge zu kommen. Das bedeutet konkret Zeit zur Entspannung und Regeneration, gesunde Gewohnheiten auf-/ausbauen. Durch die Selbstfürsorge erlangt Frau B. wieder Stabilität und innere Ruhe sowie Stärke.

Der eigene Anteil an einer Situation

Wie soll sie jetzt mit diesem für sie riesigen Vertrauensbruch umgehen? So lange schon wurde sie belogen, solange schon diese Heimlichkeiten. Warum nur hat sie ihrem Mann blind vertraut?! So lange fehlte der Mut die Wahrheit zu sagen, zu sagen «Ich liebe dich nicht mehr». Und dann kommt alles auf einen Schlag ans Tageslicht. Vor einem Haufen Scherben zu stehen und gleichzeitig die Fragmente des eigenen Spiegelbildes zu sehen; die eigenen Anteile an den Vorkommnissen können vermutet werden. Das tut weh; zu erkennen, dass Frau B. am Scheitern ihrer Ehe auch ihren Anteil mit eingebracht hat.

Der Selbstwert rast in den Keller. Tausend Fragen und keine Antworten. Wie soll es weiter gehen? Was sagen die Kinder? Wie reagiert das Umfeld? Wo wieder Halt und Geborgenheit finden? Das erste Mal allein zurechtkommen.

Wie kommen Menschen mit solch schwierigen, lebensverändernden Phasen zurecht? Es ist Zeit, sich Zeit zu geben ohne Antworten zu haben. Die kommen später.

Dies einfach gerade nur auszuhalten ist für Frau B. eine grosse Herausforderung. Ist sie es von sich doch gewohnt, stehts eine Lösung parat zu haben. Sie fragt sich immer und immer wieder, was sie falsch gemacht hat, warum sie nichts gemerkt hat und bekommt keine Antwort darauf, was sie als zermürbend empfindet. In solchen Momenten ist es wichtig, geduldig mit sich selbst zu sein und sich nicht die Schuld zuzuschieben.

Jetzt lernt Frau B. sich selbst wirklich kennen. Sie spürt sich. Obwohl der Schmerz kaum auszuhalten ist, ist es genau die Zeit, die Frau B. in ihrem (Er)-Leben, in ihrer Selbstentwicklung weiterbringen wird. Es ist ein Prozess des Annehmens und Zulassens. Und auch ein Prozess des sich Entwickelns; wie ein wirres Wollknäuel – gemeinsam fassen wir den Faden und beginnen sanft aus dem Wirrwarr ein sauber aufgerolltes Knäuel zu formen. Frau B. lernt, sich selbst in Liebe und Wertschätzung zu begegnen, sich auf den Weg der Selbsterkenntnis zu begeben, um im Leben wieder festen Stand zu erlangen.

Schluss mit der Opferrolle

Frau B. erkennt, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse und Träume viel zu lange vernachlässigt hat und dass jetzt die Zeit gekommen ist, dies grundlegend zu ändern. Sie will nicht länger in dieser Beziehung feststecken, die offensichtlich nur noch aus Gewohnheiten, Bequemlichkeiten und Unehrlichkeiten besteht. Frau B. beschliesst mutig aus ihrer Komfortzone herauszutreten und will sich mit sich selbst aktiv auseinandersetzen. Sie will ihre Unabhängigkeit und ihren Selbstwert zurückgewinnen.

Anmerkung: Eine Veränderung in dieser Beziehung wäre nur möglich, wenn beide zu 100% dazu bereit wären, an sich und ihrem Denken – Fühlen – Handeln und an ihrer Kommunikationsfähigkeit arbeiten zu wollen.

Nachdem wir die Opferrolle hinter uns gelassen und unseren eigenen Wert erkannt haben, betrachten wir in Teil 2 und Teil 3 wie uns die ersten Lebensjahre prägen und wie du dich zur wichtigsten Person in deinem Leben machen kannst.


Barbara Liechti GmbH
Barbara Liechti

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