Wer Stress hat, hat den Sinn des Lebens nicht erkannt
Klingt provokativ, nicht wahr? Meine ich aber genauso. Denn wenn ich etwas richtig gut kann, dann ist es mit der Zeit umzugehen.
Autorin: Alexandra Adler
1989 fing alles an. Ich war gerade mal 21, als ich mein erstes Lokal übernahm. Eine Pizzeria in einem schicken bürgerlichen Bezirk Wiens. Gut besucht, doch die Qualität der Zutaten, die ich quasi mit übernommen hatte, befriedigten mich nicht. Ich lernte über die Anbaumethoden von Tomaten in den Niederlanden und über Demeter-Bewirtschaftung – und war schockiert und neugierig. Schockiert, weil die erwähnten Anbaumethoden mehr an Plastikproduktion als an Gemüse erinnerten.
Neugierig, weil ich das erste Mal bewusst den Vergleich zwischen konventionell angebauten und Bio-Tomaten (Karotten, Äpfel, etc.) suchte. Und keine Frage, bio gewann immer. Nicht ausschliesslich wegen der Ökologie. Biogemüse schmeckte einfach viel besser. Ich wechselte meine Gemüse-, Fleisch- und Eierlieferanten und kaufte forthin alles, was erhältlich war, in Bioqualität. Das war Schritt eins.
Schritt zwei war die Verbannung von Thunfisch von der Speisekarte – obwohl Pizza al tonno einer der Renner war. Ich wies in der Karte darauf hin, dass wir aus Artenschutzgründen (wegen der vielen Delfine, die beim Thunfischfang sterben), ab sofort keinen Thunfisch mehr anbieten würden. Dafür gab es Dinkelpizza und Bio-Gemüse. Und ja, es funktionierte.
Warum ich über Umwelt- oder Artenschutz schreibe, wenn es hier doch um soziale Verantwortung geht? Weil dies alles zusammen gedacht werden muss. Soziale oder gesellschaftliche Verantwortung wird häufig mit einer Art Wohltätigkeit verwechselt. Doch es reicht nicht, ein Business zu betreiben und daneben ein soziales Projekt zu unterstützen.
Soziale Verantwortung heisst, das eigene Geschäft so auszurichten, dass es einem gesellschaftlichen (ja, auch ökologischen) Zweck dient. Dass Sinn hat, was ich mache – zum Beispiel die Menschen mit gutem, frisch gekochten, gesundem Bio-Essen glücklich zu machen. Und dabei möglichst keinen Schaden anzurichten («do no significant harm»).
Ich bleibe bei meinem Beispiel: Regionales Biogemüse hat nicht nur einen kleineren CO2-Fussabdruck als konventionelles, es laugt auch die Böden nicht aus. Ist der Boden gesund, kann dieser CO2 speichern (Klimaschutz). Durch Fruchtfolge und organische Bewirtschaftung wird die Biodiversität erhöht (Umweltschutz). Die Menschen, die bei der Bewirtschaftung mitarbeiten, müssen nicht mit giftigen Substanzen hantieren (Gesundheit), statt internationaler Massenbetriebe werden kleinbäuerlich Strukturen gefördert. Das wiederum stärkt die wirtschaftliche Entwicklung von Regionen (Ökonomie). Zudem kann ich relativ sicher sein, dass keine sklavenähnlich beschäftigten HilfsarbeiterInnen zum Einsatz kommen (Menschenrechte).
Mag sein, dass das im Einkauf teurer ist, aber am Ende zahlt es sich aus. Ich habe nicht nur ein reines Gewissen, ich habe auch in der Küche weniger Abfall und Gewichtsverlust, besseren Geschmack auf dem Teller und kann den Gästen transparent darstellen, was sie bekommen. In Österreich ist die Kennzeichnungspflicht für Betriebe der Gemeinschaftsverpflegung, basierend auf der «Farm-to-table-Strategie» der EU, bereits in Kraft. Früher oder später wird die Gastronomie folgen.
Womit ich bei der Compliance bin. Green Deal, Taxonomie, CSRD und ESRS, oder wie sie alle heissen, die neuen Verordnungen, die, zumindest in der EU, bereits wirksam sind oder schrittweise wirksam werden. Nachdem CSR – Corporate Social Responsibility bisher auf Freiwilligkeit basierte, ist damit jetzt endlich Schluss. Denn freiwillig ist kaum etwas passiert. Obwohl längst offenkundig ist, dass nachhaltig agierende Unternehmen resilienter sind, im Allgemeinen besser durch Krisen kommen.
Jetzt werden die Bedingungen vereinheitlicht, schrittweise bis 2028 müssen alle Unternehmen umfassend über ihre Nachhaltigkeitsagenden berichten. Schon jetzt müssen Unternehmen, so sie B2B arbeiten, an ihre AuftraggeberInnen Antworten liefern können. Denn die CSRD verlangt nicht nur Analyse und Darstellung der Nachhaltigkeitsaktivitäten im eigenen Unternehmen, sondern auch entlang der Wertschöpfungskette. Hier zeigt sich ein weiterer Aspekt von „sozialer Verantwortung“: Werden die «Grossen» den «Kleinen» helfen, sich nachhaltig zu verändern?
An dieser Stelle sei an Rana Plaza erinnert: Die Tragödie in Bangladesch, bei der hunderte NäherInnen umkamen. Produziert wurde für internationale Bekleidungskonzerne, die sich für die elenden Arbeitsbedingungen nicht verantwortlich fühlten. Soziale Verantwortung aber zeigt, wer seinen Zulieferern dabei hilft, die ökologischen, menschenrechtlichen und ökonomischen (Verteilungs-)Fragen anständig zu lösen. Soziale Verantwortung zeigt, wer ein faires Wertschöpfungsnetzwerk aufbaut.
Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass ein ernst gemeinter Nachhaltigkeitsprozess fast zwangsläufig Innovationsbedarf offenlegt. Schnell zeigt sich, ob ein Geschäftsmodell, ob bestimmte Produkte/ Prozesse eine Überlebenschance haben. Megatrends wirken auf das Kerngeschäft, die demografische Entwicklung macht weder kundenseitig noch bei den eigenen Mitarbeitenden Halt. Dieses Potenzial – und auch Risiko – müssen wir mitdenken, wenn wir von sozialer Verantwortung sprechen.
Womit ich wieder zu meinem Anfangsbeispiel zurückkomme (Achtung: Polemik!): Die Klimakrise führt zum Megatrend Veganismus, mein pflanzenbasiertes Angebot bringt mir also Marktchancen. Es zeigt sich, dass gut schmeckendes Essen auch gesund sein kann (oder umgekehrt), das sichert mir Stammgäste. Die junge Generation sucht Arbeit mit Sinn und arbeitet vielleicht lieber bei mir als im Schnitzellokal. Doch das ist jetzt fiktiv.
Die kurze Antwort auf die Frage nach der sozialen Verantwortung? So viel wie irgend möglich!
Alexandra ist Mitgründerin vom CSR-Beratungsunternehmen WEITSICHT – büro für zukunftsfähige wirtschaft. Als frühere Wirtin war sie Pionierin der bio- und veganen Gastronomie, die Probleme als Kleinunternehmerin brachten sie zum Nachdenken über soziale Verantwortung. Alexandra berät Unternehmen jeder Grösse in nachhaltiger Strategieentwicklung, Nachhaltigkeitsberichterstattung und Erreichung des Österr. Umweltzeichens. Persönlicher Schwerpunkt: Nachhaltige Ernährungssysteme und Gleichstellung.
Weitsicht – büro für zukunftsfähige wirtschaft
Alexandra Adler
Webseite: weitsicht.solutions
Email: office@weitsicht.solutions
Telefon: +43 699 102 74 847
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