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Lassen wir die Bücher aufleben!

Veröffentlicht am 10. Dezember 2021

Autorin: Judith Barbara Shoukier

Bücher sind Kunst. Sie sind nicht einfach ein Stapel Papier. Da steckt richtig viel dahinter. Aber wir sind gefragt, ihnen Leben einzuhauchen, indem wir uns auf sie einlassen. Wer ein Buch schreibt, legt vor. Aber erst, wenn wir sie lesen, erfüllen sie ihre Aufgabe, entwickeln sich die Gedanken darin weiter, können sie ihre Botschaften hinaustragen. In früheren Zeiten waren nur die Gelehrten des Schreibens mächtig. Nur Privilegierte konnten sich Bücher leisten. Heute ist das ganz anders. Aber ist uns bewusst, welches Potenzial in Büchern, im Schreiben und im Lesen steckt?

Neulich flanierte ich seit langer Zeit wieder einmal durch Bern. Meine alte Heimat präsentierte sich neblig-romantisch und so war der obligate Besuch in «meiner» Buchhandlung angesagt. Bloss: Sie war nicht mehr da. Einfach weg. Stattdessen fand ich einen Laden vor, mit dem ich so gar nichts anfangen konnte.

In einer Mischung aus Unverständnis und Enttäuschung irrte ich ein wenig planlos durch die Altstadt, um mich Minuten später in einer Art Zeitfenster wiederzufinden. Ich stand auf altem Kopfsteinpflaster und vor mir sass ein älterer Mann in derber Kleidung, in eine Wolldecke eingemummelt auf einer Art Hocker und putzte Bücher. Ja, in der Tat, er säuberte Bücher. Mit einem Tuch rieb er sie auf allen Seiten sorgfältig ab und legte sie anschliessend in eine Kiste. Ich sah ihm eine Weile zu und war beeindruckt, mit welcher Präsenz und Sorgfalt er diese Bücher behandelte. Da war so viel Wertschätzung zu erkennen. Er könnte diese neue Altware, es handelte sich offensichtlich um alte Bücher, ohne Zusatzaufwand ins Regal stellen und verkaufen. Er aber setzte sich an diesem kalten Novembertag vor seinem Laden auf den Platz zwischen den Berner Lauben und der Tramschiene und widmete sich eingehend jedem einzelnen Buch. Versunken in sein Tun, ganz im Flow und mit einer wohltuenden Ruhe, mitten in der vorweihnachtlich hektischen Stadt. Diese Szene hinterliess einen tiefen Eindruck bei mir.

Bücher müssen her

Ich bin – nebst anderem – Verlegerin. «Warum tust du das?» Diese und ähnliche Fragen kamen auf mich zu als ich eines Tages verkündete, einen Verlag gründen zu wollen. Ja, warum kümmert man sich heute noch um Bücher? Es gibt doch Internet. Und Suchmaschinen. Und eBooks. Da braucht es nur das Smartphone und keine Bibliotheken. Und überhaupt, dieser ganze Aufwand. Nicht zu vergessen das Risiko, das man als Verleger eingeht.

Nun, ich war schon immer fasziniert von Büchern. Meine Standardantwort auf die Frage, was ich mir zum Geburtstag wünsche, war von jeher: Bücher! Sie sind eigene kleine oder auch mal grosse Welten. Sie offenbaren mir das Wissen, die Erfahrungen und das Weltbild von Menschen, die ich nie gesehen habe und denen ich mit grösster Wahrscheinlichkeit auch nie begegnen werde. Und trotzdem teilen wir etwas. Bücher sind eine Art Vorlage, denn sie lassen Raum für meine eigenen Gedanken. Meine Mutter pflegt folgenden Satz zu äussern, wenn es um Bücher versus Filme geht: «Das Buch ist so gut, ich will auf keinen Fall den Film dazu sehen. Der macht meine ganzen Fantasien kaputt. Und dabei war das viel Arbeit, diese neue Welt entstehen zu lassen.»

Als ich begann, Bücher zu produzieren, wurde mir eindrücklich klar, wie unglaublich viel Arbeit, Lebenszeit und Verve in einem Buch steckt. Ich arbeite eng mit unseren Autorinnen und Autoren zusammen. Und es ist fantastisch zu sehen, wie sehr sie sich für ihr Buch ins Zeug legen, wie wichtig es ihnen ist, dass es sich haptisch richtig anfühlen wird, welch zentrale Rolle das Schriftbild spielen kann und mit welcher Freude sie ihr Buch in Empfang nehmen, wenn es aus der Druckerei kommt. Ihre elektronischen Worte haben eine physische Gestalt erhalten. Sie lassen sich anfassen, sie riechen und sie haben – im wörtlichen wie übertragenen Sinn – ein Gewicht. Der Moment, wenn die Druckdatei an die Druckerei übermittelt wird, ist immer ein ganz grosser! Es ist vollbracht! Jetzt gilt es abzuwarten auf den Moment, wo die Spedition ankommt und die kostbare Fracht entlädt.

Bücher werden neu entdeckt

Inzwischen sind wir alle Profis in Sachen Online-Arbeit. Viele von uns sitzen den ganzen Tag am Bildschirm. Und so erstaunt es nicht, dass derzeit die Verkaufszahlen von gedruckten Büchern wieder zunehmen. Denn wir entdecken das «richtige» Buch gerade neu. Texte, die sich uns ohne Bildschirm präsentieren. Manche müssen sich erst wieder daran gewöhnen. Amüsant war der Bericht einer Freundin, die mir erzählte, dass sie nach dem Lesen einem Impuls folgend ihr Buch erst herunterfahren wollte.

Bücher gehören zu uns. Sie transportieren neben Wissen auch Gefühle, die Befindlichkeit der Schreibenden oder ganzer Generationen. Sie lassen uns teilhaben an längst vergangenen Ereignissen und öffnen uns die Sicht auf unsere Geschichte, deren Resultat wir sind. Früher hatte ein Buch einen hohen Wert. Meine Urgrosseltern besassen wenige Bücher, die aber von zentraler Bedeutung waren. Da war die Familienbibel. Und ein Kochbuch. Dieses bietet bis heute einen Rückblick auf längst vergangene Mahlzeiten. Es hat Flecken und ist voller handschriftlicher Bemerkungen. Dazu besass man oft ein Buch, das den Umgang mit Heilkräutern erklärte und wenige aber liebevoll illustrierte Märchenbücher.

Und noch viel früher waren Bücher, neben der mündlichen Überlieferung, die einzige Möglichkeit, Wissen, Erfahrungen und so vieles mehr über die Zeit hinweg zu erhalten und an nachfolgende Generationen weiterzureichen. Ein Buch war etwas Wertvolles und Wichtiges.

Wir sollten uns zu Wort melden und andere zu Wort kommen lassen – in Büchern

Ich plädiere dafür, dass wir das Buch vermehrt in unser Bewusstsein rücken. Dass wir den Wert eines Buches wieder entdecken. Aber auch, dass wir uns selber ans Schreiben wagen. Und nicht nur kurzlebig posten. Posts schieben sich im Minutentackt nach hinten. Einer kommt vor den nächsten, wir klicken ein kurzes «Like» oder ein Smiley an und scrollen weiter. Und schon ist der Inhalt weg und vergessen. Ein Buch aber bleibt. Es unterliegt nicht dieser Kurzlebigkeit, die uns heute eine Flut an Informationen beschert, uns überfordert und nicht viel mehr hinterlässt als das Gefühl, überfrachtet zu werden und keine Ruhe mehr zu finden. Sich bewusst mit einem Buch zu befassen, kann uns in einen ruhigen Modus gleiten lassen, der es zulässt, dass wir unsere eigenen Gedanken entwickeln, auch mal zurückblättern, Randnotizen anbringen und das Buch Seite für Seite zu etwas Eigenem machen.

Was Bücher leisten:

Informieren – Wissen vermitteln – Wissen konservieren – unterhalten – zum Lachen bringen – Hilfestellungen geben – trösten – verbinden – Erfahrungen teilen – Meinungen bilden – Dialoge anstossen – Kunst mit Worten – Stimmungen transportieren – Sehnsucht wecken – beschreiben – anleiten – inspirieren – beantworten – sammeln – entwickeln – warnen – Fantasie anregen – fremde Welten näherbringen – Utopien beschreiben – Freude bereiten – teilen – verbinden – was fällt dir dazu ein?

Über die Autorin

Judith Barbara Shoukier ist Fachlehrkraft, Coach, Unternehmerin, Autorin sowie Gründerin und Inhaberin des BellingsBooks Verlags. Die Bernerin hat es sich zum Ziel gesetzt, mit ihrem Verlag eine Plattform aufzubauen, auf der sich neben den geschätzten Autoren vor allem auch Frauen zu Wort melden sollen. Dazu arbeitet sie mit Unternehmerinnen Netzwerken zusammen, um Autorinnen zu gewinnen und ihnen Sichtbarkeit und ein Zu-Wort-Kommen zu geben.

www.bellingsbooks.com

BellingsBooks Verlag

Telefon: +41 (0)79 429 1590
E-Mail: j.shoukier@bellingswood.com

c/o Bellingswood Group GmbH
Hafenstrasse 50B
8280 Kreuzlingen
Schweiz

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