Unsicherheit verstehen & verwandeln – Ein Blick auf uns Selbst
Statt Unsicherheit zu bekämpfen, nutze sie als Türöffner für inneren Dialog, mehr Bewusstsein und die Chance auf nachhaltige Entwicklung.
Autorin: Judith Barbara Shoukier
Selina Göldi ist eine kreative Schafferin mit Geschäftssinn. Ausgewandert von der Ostschweiz ins Burgund, hat sie sich ein wunderbares Refugium geschaffen, von wo aus sie ihren erfolgreichen Blog schreibt und sich mit kulinarischen Höhenflügen genauso beschäftigt wie mit durch Einfachheit bestechender Alltagsküche. Mit ihren Koch-Workshops in allerschönster Umgebung begeistert sie Anfängerinnen und Profiköche gleichermassen. Nun hat sie ihr erklärtes Ziel, bevor sie 40 Jahre alt ist, ein Kochbuch zu schreiben, verwirklicht. Das Resultat kann sich sehen lassen!
Selina Göldi: Nach meinem Studium war ich als Ökonomin einige Jahre in der Beratung tätig. Heute erscheint mir diese Zeit wie ein Ausflug in eine andere Welt. In meiner Kindheit waren eine Alpwirtschaft und die Beiz von meinem Urgrossvater prägende Faktoren. Es ging immer um die Bewirtung von Menschen. Man würde heute sagen, dass mein Urgrossvater einen Concept Store geführt hat, denn die handgefertigten Möbel in seinem Lokal konnte man kaufen. Während meiner Zeit als Beraterin habe ich aber gelernt, wie man aus einem Gedanken, einer Idee ein funktionierendes Konzept erarbeitet. Beim Konzipieren meiner Workshops profitiere ich heute von dieser Erfahrung.
Mein Mann und ich sind in dieses wunderbare alte Haus ins Burgund gezogen. Mit meinem familiären Hintergrund in Bezug auf Kochen und Restaurants hat sich das einfach angeboten. Alles stimmt dort: das Setting, die Umgebung, die Nahrungsmittelquellen, die ganze Atmosphäre, all das trägt als Grundvoraussetzung zu einem stimmungsvollen Workshoperlebnis bei.
Je nach thematischer Ausrichtung eines Workshops werden unterschiedliche Aktivitäten umgesetzt. Es geht natürlich in erster Linie ums Kochen und Geniessen. Wir besuchen aber auch mal einen Bauernmarkt, eine Schnapsbrennerei oder veranstalten ein stilvolles Picknick im Freien. Essen in seiner hochwertigsten Form steht aber immer im Zentrum.
Genuss hat für mich etwas mit physischer und seelischer Gesundheit zu tun. Es ist nicht nur simple Nahrungsaufnahme. Es geht um Qualität und um das richtige Mass.
Ich unterscheide klar zwischen unserer Alltagsernährung und einem Fest. Ich finde, wir sollten Feste bewusst zelebrieren. Dabei dürfen wir ruhig aufs Ganze gehen. Da dürfen wir schlemmen und uns den ganzen Tag Zeit nehmen und uns umeinander kümmern. Als Kontrast dazu sehe ich den Verzicht, also eine hochwertige, aber nicht überbordende Alltagsernährung.
Ich arbeite mit zwei unterschiedlichen Ansätzen. Zum einen lasse ich mich inspirieren, wenn ich eine neue, coole Zutat finde. Das kann ein Gewürz sein oder ein neuer Flussfisch oder eine bisher noch nicht verwendete alte Gemüsesorte. Dann stelle ich mir vor, mit welchen anderen Zutaten es harmoniert und wie ich es am besten zubereiten kann, damit etwas Kreatives daraus entsteht.
Der zweite Ansatz geht über die Literatur. Ich lese viel Literatur aus dem 19. Jahrhundert. Dort wird immer auch gekocht, gegessen und es werden Feste gefeiert. Ich recherchiere dann zu diesen literarischen Fundstücken und entwickle so meine eigene Variante des Gelesenen.
Mein Brand heisst «L’Art de bien manger». Und genau darum geht es mir. Es geht um die Kunst des guten Essens. Und die ist sehr vielschichtig. Es fängt an bei der sorgfältigen Auswahl der Zutaten. Ich lege sehr viel Wert auf eine naturnahe und respektvolle Produktion. Dazu gehört auch, dass ich konsequent saisonal koche. Ich sehe das nicht als Verzicht, wenn ich beispielsweise im Dezember keine Erdbeeren kaufe, sondern es bedeutet Freude und Wertschätzung, wenn dann tatsächlich Erdbeersaison ist.
Bei mir wird nichts weggeworfen. Das gehört für mich untrennbar mit «L’Art de bien manger» zusammen. Ich arbeite in einer Kreislaufwirtschaft, in der alles seine Verwendung findet und nichts im Abfall landet.
Die Auswahl von Wein ist ein weiterer Faktor. Er muss mit dem Gericht harmonieren, aber auch die Herstellung muss stimmen. In Frankreich gehört Wein selbstverständlicher zu einem Essen als in der Schweiz. Es wird aber nicht mengenmässig mehr, sondern öfter in kleineren Portionen getrunken und eben genossen. Weintrinken wird kultiviert.
Und zuletzt kommt auch der Umgebung, in der wir essen, dem Gedeck, dem Raum, der Atmosphäre eine gewichtige Rolle zu. Erst wenn all das stimmig ist, entspricht es meiner Vorstellung von «L’Art de bien manger». Es ist eine Haltung.
Ich habe mein Leben gefunden in Frankreich. Es fühlt sich jedenfalls für den Moment so an, und daher sehe ich keinen Grund, das zu ändern. Aber wir wissen ja nie, was im Leben sein wird.
Mein Leben hier auf dem Land im Burgund ist so ganz anders als vorher in der Schweiz in der Stadt. Es fühlt sich emotional ähnlich an, wie ich als Kind auf dem Hof bei meinen Grosseltern gelebt habe. Es passt einfach zu mir.
Das Business war in dieser Zeit naturgemäss richtig schlecht bzw. inexistent. Es konnte ja niemand anreisen. Und meine Workshops online anzubieten, ist keine Option, das würde nicht funktionieren.
Ich habe daher in den letzten beiden Jahren viel im Garten gearbeitet, meinen Blog weitergepflegt und mich so gut es ging mental über Wasser gehalten. Bis heute sind Nachwirkungen zu beobachten, denn viele Menschen sind noch nicht wieder so reisebereit wie vorher. Es geht aber allmählich aufwärts.
Ein Gutes hatte diese Zeit: Mein Mann und ich konnten innerhalb Frankreichs an Orte reisen, die wir ganz ohne Touristen erleben konnten, manchmal sogar ganz allein. Das ist sonst nicht denkbar.
Es war schon immer mein erklärtes Ziel, bevor ich 40 Jahre alt werde ein Kochbuch zu schreiben. Und wenn ich mir ein solches Ziel setze, habe ich immer Glück. Auch in diesem Fall hatte ich ein riesiges Glück, dass es sich so ergeben hat.
Es repräsentiert die Haltung von «L’Art de bien manger». Es ist also keine reine Rezeptsammlung, sondern ein Gesamtkonzept, geordnet nach Jahreszeiten. Es soll unterhalten, dazu sorgen Kurzgeschichten von Fifi, es liefert erprobte Rezepte und ich habe mir sehr viel Zeit genommen, um zu jedem Rezept und Thema ein wunderschönes Foto zu machen. Es ist so gesehen auch eine Art Bildband. Es soll inspirieren und anregen, die Rezepte auch mal abzuwandeln, indem man beispielsweise Johannisbeeren durch Äpfel ersetzt.
Ich habe keine Ahnung. Sie war plötzlich da. Ich kenne auch den Erzähler oder die Erzählerin der Geschichten nicht. Alle diese Figuren sind einfach da, wirken auf mich sehr lebendig, und ich habe sie tatsächlich nicht bewusst erschaffen. Bei mir kommt zuerst die Fantasie, dann stösst die Kreativität dazu und am Schluss entsteht ein Konzept. So ist das ganze Kochbuch entstanden inklusive Fifi.
Es geht immer vorwärts. Zurück ist keine Option. Und so bin ich aktuell dabei, ein neues Workshop-Programm zu entwickeln, mit neuen Ideen und Inhalten.
Und wir bauen derzeit unser Haus um, denn in Zukunft möchten wir unsere Workshopteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie unabhängige Gäste bei uns beherbergen. Das war schon lange mein Wunsch. Jetzt gehen wir es an. Darauf freue ich mich.
Das im Mai 2022 beim Schweizer BellingsBooks Verlag erschienene Kochbuch von Selina Göldi ist eine Augenweide. Mit wunderbaren Fotos, von der Autorin in ihrem Haus, Garten und Umfeld aufgenommen, amüsanten Geschichten und feinen Rezepten, ist es das perfekte Geschenk. Für Geburtstage, Weihnachten, um jemandem eine Freude zu bereiten oder schlicht für uns selbst.
Erhältlich ist es hier: www.bellingsbooks.com
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BellingsBooks Verlag (Bellingswood Group GmbH)
Judith Barbara Shoukier
Telefon: +41 79 429 15 90
E-Mail: j.shoukier@bellingswood.com
Webseite: www.bellingsbooks.com / www.greenlemon-kitchen.ch
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