Die Stimmen der Rebellinnen - womenbiz

Die Stimmen der Rebellinnen

Veröffentlicht am 9. Februar 2023

Autorin: Christa Prameshuber

«Sei exzentrisch, frei und vorlaut“, «Stell‘ Fragen, das macht g‘scheit», «Lass Dich von Niemanden kleinmachen». Das waren die Ratschläge meiner drei rebellischen Grosstanten an mich. Die drei unangepassten, unverheirateten und kinderlosen Frauen waren frühzeitige Mentorinnen und haben meine Kindheit geprägt. Kuriose Anekdoten über einstige Liebhaber, abgewiesene Heiratsanträge, Reisabenteuer und Berufswelten eines „Fräulein“, erzählt von den drei Damen mit Humor und Virtuosität, spiegeln sich in meinen Texten wider.  Vor 10 Jahren beschloss ich meine damals schon längst verstorbenen Grosstanten Tante Mia, Tante Toni und Tante Mali in einer Trilogie zu verewigen.

Das Erinnern und Suchen, das Wiederentdecken von alten Fotos, Briefen und Tagebüchern verdeutlichten ihre für die damalige Zeit unglaublich modernen Einstellungen und Lebensformen. Alle drei waren unverheiratet – ein Makel zur damaligen Zeit. Jede meiner Tanten hatte Verehrer, Liebhaber und Heiratskandidaten, doch erachteten sie ihren selbst gewählten Lebensweg als für zu wichtig, um sich tatsächlich in Abhängigkeit zu stürzen und damit vieles aufgeben zu müssen.

Wer waren sie?

Mia Beyerl, eine exzentrische Sängerin, die wegen einer Krankheit Gesangspädagogin statt

Opernstar werden musste, Antonia Bukowsky, eine mutige Angestellte, die stets sagte was sie dachte und sich dadurch mit der Gestapo anlegte, zu guter Letzt Amalia Berger, eine Fürsorgerin, die sich um bedürftige Frauen kümmerte als es noch keine Frauenhäuser gab, die Berge von Liebesbriefen erhielt und doch nie heiratete.

Alle drei haben geliebt und sind geliebt worden. Sie haben in ihrem Leben keineswegs versagt, sie waren unabhängig, selbstständig und nicht „übrig geblieben“.

Meine Nachforschungen in Archiven, das Durchsehen einer reichen Korrespondenz zwischen uns, sowie ihre eigenen, verfassten Lebensgeschichten haben mir die Augen geöffnet darüber, was es hiess, zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine emanzipierte Frau zu sein. Und natürlich habe ich auch viel über mich selbst gelernt.

«So eine Tante/Grossmutter hatte ich auch»… höre ich oftmals vom Publikum. Meine Lesungen gestalte ich mit musikalischer Begleitung und trete in der Schweiz, Österreich und an Kulturforen in Frankreich und Italien auf.

Hier ein paar Textpassagen:

Aus: das mit der Liebe ist alles ein Schwindel“

Die begabte Antonia war gezwungen gewesen, die Schule zu verlassen, um Geld zu verdienen. Im Eiltempo hatte sie noch einen hervorragenden Abschluss sowie einige zusätzliche Diplome in Stenografie, Rechnungswesen, Buchhaltung und Maschineschreiben erwerben können, bevor sie in der Spedition Herber in Linz anfing. Als sie mit gerade sechzehn Jahren, mitten in den Wirren des Ersten Weltkriegs, ihren Berufseinstieg fand, hätte sie niemals gedacht, dass sie über vierzig Jahre lang dort angestellt bleiben würde.

«Bildung ist, was übrigbleibt, wenn der letzte Schilling weg ist“, pflegte meine Grosstante oft zu sagen und wusste sehr genau, wovon sie sprach! Antonia war klug und verfügte über ein bemerkenswertes Gedächtnis. Wie gerne hätte sie die höhere Mädchenschule abgeschlossen und – wer weiss – vielleicht sogar Wirtschaft oder Jus studiert. Das Jus-Studium war Frauen in Österreich bis 1919 verwehrt, sie durften nur hospitieren, aber keine Prüfungen ablegen, da ihnen „abstraktes Denken“ abgesprochen wurde. Zeit ihres Lebens bestärkte Tante Toni uns Mädchen, eine gute Schulausbildung abzuschliessen und unser Bestes zu geben. Wir sollten richtige Berufe erlernen und uns stets weiterbilden…

Aus „Die Liebesdeserteurin“

…zu Tante Malis „Fällen“ zählten auch Prostituierte. Nach dem Zweiten Weltkrieg stieg die Nachfrage nach „leichten Mädchen“ stark an. Niemals kritisierte Mali die verzweifelten jungen Mädchen, die sich mit dem Verkauf ihres Körpers über Wasser zu halten versuchten. Sie meinte nur lapidar: „Wenn uns kein Ausweg mehr bleibt, tun wir das Nächstliegende“. 

Ohne amerikanische Hilfe wären wir verhungert, aber zwischen ihnen und uns herrschte ein zwiespältiges Verhältnis“, erinnerte sich meine Tante in so manchem Gespräch mit mir, „verschiedene private und öffentliche Organisationen leisteten Hilfe. Am bekanntesten waren die Care-Pakete.“ Diese wurden von amerikanischen Familien nach Österreich geschickt, und damit wurden „wir erstmals mit abgepackten Lebensmitteln bekannt gemacht: Dosenmilch, Löskaffee und Konserven“. Manchmal gab es amüsante sprachliche Verständnisprobleme. So wurde anfangs der auf Englisch verfasste Beipackzettel der Care-Pakete mit dem Text „This is a gift from a friend in America“ missinterpretiert, da man fürchtete, vergiftet statt beschenkt zu werden…

Über die Autorin

Bin eine in der Schweiz ansässige altösterreichische Seele, die von drei rebellischen Damen geformt wurde. Ihre Lebensdevisen: „Sei exzentrisch, frei und vorlaut“, „Stell‘ immer Fragen, das mach gscheit“, „Lass dich von niemanden kleinmachen“ haben mich geprägt, ebenso wie ihre meisterliche Art des Geschichtenerzählens. Ihre kuriosen Anekdoten spiegeln sich in meinen Texten wieder.

Christa Prameshuber

Telefon: +41 79 9168485
Mail: christa.prameshuber@gmail.com
Webseite: christaprameshuber.ch

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